Grenzen spüren und kommunizieren

 6. Lektion

In Kontakt mit anderen treten

 

Lerne, deine Grenzen zu spüren und kommuniziere sie. Du musst nicht wissen, was du später willst, sondern nur, was sich jetzt richtig oder interessant anfühlt. Bedanke dich, wenn dir jemand ein Nein ausspricht oder seine Grenze kommuniziert. Ein Nein ist nicht persönlich auf dich bezogen und dessen Wertschätzung Voraussetzung für ein eventuelles späteres Ja. 

Einem Nein sollte mit Dank und Wertschätzung begegnet werden – Wertschätzung dafür, dass die andere Person sich um sich selbst kümmert und ihre Grenzen kommuniziert.

Grenzen zu kommunizieren, ist schwer genug. Wird dem mit Enttäuschung oder Überzeugungsversuchen entgegnet, wird es nur noch schwerer. Man läuft Gefahr, nicht bei sich zu bleiben, sich somit nicht richtig zu spüren und sich somit Genuss zu verbauen.

Wer es einem leicht macht, Grenzen zu kommunizieren, demgegenüber ist es leichter, sich zu öffnen und gemeinsam zu genießen.


Grenzen spüren und kommunizieren

Ich war erstaunt, wie groß die Bedeutung davon ist, seine eigenen Grenzen zu spüren und zu kommunizieren. Viele Frauen, die ich für dieses Buch interviewt habe, hatten diverse Trauma aus den Anfängen ihrer sexuellen Erfahrungen. (Beim Interview waren sie 25-39 Jahre alt, und ich denke, alle waren in ihrer Entwicklung recht „normale“ Fälle, also keine besonderen Ausreißer zu ihren Altersgenossinnen.) Ein gutes Beispiel, das ich so oder so ähnlich mehrfach gehört hab, klingt in etwa so.

„Früher habe ich ganz viel getindert[1] und hatte eigentlich nach fast jedem Date Sex. Ich hatte einen Jagdinstinkt, ich wollte spüren, dass der Typ mich will. Doch in dem Moment, als wir rumgeknutscht haben und ich genau das wusste, war mein Interesse weg. Ich wollte dann eigentlich aufhören, aber hatte das Gefühl, jetzt auch nicht mehr Nein sagen zu können, wo ich jetzt schon mit ihm so weit gegangen war. Ich habe in der Zeit oft Orgasmen vorgetäuscht. Manchmal habe ich selbst das Vortäuschen sein gelassen und einfach nur dagelegen. Das unglaublichste für mich war, dass der Typ mir am nächsten Tag schreibt, wie geil es war und ob wir uns wieder treffen wollen. Wie kann das geil für ihn gewesen sein?“

 [1] gemeint ist das Nutzen der Dating App „Tinder“

Für sie hat Sex erst angefangen, wirklich Spaß zu machen, nachdem sie bei einem „Tantra-Workshop“ war und dort Übungen zur Wahrnehmung und Kommunikation von Grenzen gemacht hatte. Es überrascht und fasziniert mich, was für einen immensen Einfluss solch einfache Übung haben können, wie wertvoll sie für die eigene sexuelle Entwicklung sein können. Man kann dafür einen Workshop besuchen, sie mit einem Partner oder Freund ausprobieren oder auch selbst einen kleinen Spontanworkshop organisieren, wenn man eh gerade mit ein paar Menschen über solche Themen redet.

Unabhängig davon, ob man seine Grenzen wahrnimmt, haben Grenzüberschreitungen sehr wahrscheinlich einen traumatisierenden Effekt auf den Körper. Das wird vermutlich schlimmer, wenn man die Grenzen kommuniziert und das nicht wertgeschätzt, oder zumindest respektiert wird, aber auch die subtileren Grenzüberschreitungen haben sehr wahrscheinlich einen Einfluss. Es entstehen Körperverspannung, Taubheit und eine Dissoziation zum eigenen Körper oder der eigenen Sexualität. Möglichen Umgang mit solchen Traumata thematisiere ich in den Kapiteln „Heilender Sex“ und auch beim „OMing“.

Damit es so weit erst gar nicht kommt, hier die Übungen. Ich empfehle sie allgemein vor körperlicher Intimität und besonders dann, wenn du selbst nicht sicher bist, inwiefern du deine Grenzen spüren und kommunizieren kannst.           Du brauchst dafür keinen Sexualpartner, sondern schlicht einen anderen Menschen. Ich lege dennoch nahe, sie mit einem potenziellen Sexualpartner noch einmal zu wiederholen. Das schafft Vertrauen sowie Feingefühl und hilft beim gemeinsamen Kommunizieren lernen. Außerdem hat solch eine Konstellation eine ganz andere Energie, andere Widerstände, andere Herausforderungen und ist auf andere Art aufregend, als wenn ihr die Übung mit Freunden macht. Gerade wenn du nicht sicher bist, wie die Wahrnehmung und Kommunikation von Grenzen bei deinem Partner ist, solltest du fragen: Kannst du deine Grenzen gut kommunizieren? Ist die Antwort kein klares „Ja!“, solltest du die Übung anleiten.

Ein bezeichnender Name für die Übung ist Dirigent & Marionette. Ein nicht so objektivierender Begriff wäre „Erfahrende:r & Gehilfe“ oder auch „Führende & Folgender“. Eine Person, die die Erfahrung machen darf und eine, die hilft. Ich nutze den dick gedruckten Namen, da die anderen Bezeichnungen auf viele Übungen und Bewegungen zutreffen, wie z. B. den Paartanz. Wie auch beim Paartanz, könnt ihr euch abwechseln. Anders als beim Tanzen sollte zuerst die Person Führende (Dirigent) sein, die sich gerade unsicherer fühlt, denn Sicherheit durch das Spüren und Kommunizieren von Grenzen, welche dann respektiert werden, ist Hauptziel der Übung.       

Stellt euch mit etwa 4 Metern Abstand gegenüber. Der eine Partner ist der(/die) Dirigierende und der andere die „Marionette“. Der Dirigierende winkt die Marionette zu sich heran, sagt oder zeigt „Stopp!“ und darf die andere Person auch wieder etwas zurückschicken. Handzeichen funktionieren dafür wunderbar, doch falls man sich sehr nahekommt, sind verbale Kommandos besser. Der Dirigent achtet darauf, inwiefern die Nähe angenehm ist, an welcher Stelle etwas in ihm/ihr passiert und gibt erst neue Kommandos nach diesem internen Beobachten.    
Die Marionette ist achtsam, geht, wenn sie dazu eingeladen ist, langsam auf die andere Person zu und geht auch wieder zurück, wenn sie dazu aufgefordert wird. Die Marionette darf auch von selbst einen Schritt zurück gehen, wenn sie sich damit wohler fühlt. (Dies sollte aber nicht die Reaktion auf ein „Stopp“ sein.)     Wenn die Marionette bei Aufforderung nicht näherkommen möchte, ist es vermutlich besser, die Rollen zu tauschen. (In der Variante im Kapitel 43 den „4 tantrischen Übungen“ dürfen beide vor und zurück gehen.)

Sollte dir oder deinem Partner dieses „interne Spüren“ schwerfallen, ist wohl die Schulung der eigenen Körperwahrnehmung eine gute Vorübung. Dafür empfehle ich den „Body Scan“, welcher im Kapitel „Verbundenheit zu sich selbst“ erklärt wird. Auch die dort aufgeführte „Wim-Hof-Atmung“ bzw. beides in Verbindung sind sehr hilfreich.

Wenn euch diese Übung leichtfällt, gibt es hier noch eine weitere:

Für dich, für mich & Nein sagen 
Sie ist später im Kapitel „Gift Giving“ besser eingebettet, hat aber auch hier Wert. Man bietet sich gegenseitig Berührungen an, unterscheidet bei der Motivation, ob diese für sich selbst oder für den anderen ist („Darf ich dich am Arm streicheln, für mich?“). Die empfangende/erlaubende Person spürt dann, ob sie dafür offen ist oder einen alternativen Vorschlag hat. (Eigentlich müsste sie auch in sich spüren, ob sie vielleicht gerade gar nicht für Berührung mit oder von der anderen Person offen ist – was hauptsächlich in einem Workshopformat Sinn ergibt, da man sich sonst hoffentlich einfach nicht auf die Übung einlässt.) Werdet kreativ und gerade, wenn ihr sehr offen seid, dann forciert auch Neins durch Vorschläge wie: „Darf ich dir meinen angeleckten Finger ins Ohr stecken, für dich?“ Gerade wenn euer Partner „Nein“ sagt, antwortet mit „Danke“ (, dass du deine Grenzen kommunizierst).         Bei Tantra-Workshops oder „Temple“-Veranstaltungen werden solche Übungen zur Grenzen-Wahrnehmung und Kommunikation üblicherweise am Anfang gemacht. Warum nicht auch bei intimen Begegnungen im privaten Rahmen?

Grenzen als Experiment
Ich habe wundervolle und faszinierende Erfahrungen damit gemacht, klare Grenzen zu setzen oder gesetzt zu bekommen. Ich empfehle es einfach als Experiment oder dann, wenn du dir bezüglich deiner eigenen Grenzen nicht sicher bist, wenn du nicht weißt, inwiefern du selbst Grenzen setzen kannst, solltest oder willst.        
Man definiert dafür eine klare Grenze, wie zum Beispiel „Kein Küssen auf den Mund“, „Die Höschen bleiben an.“, „In keine Körperöffnung dringt etwas ein.“ oder „Kein penetrativer Sex.“. Im Zweifelsfall entstehen dadurch zumindest Langsamkeit, Vertrauen und Kreativität. Außerdem übt man sich darin, Grenzen zu kommunizieren und zu wahren. 

Man kann auch „Spiel Sessions“ dafür nutzen und ähnlich einem „Play fight“[2] für eine vorher definierte Zeit, mit vorher definierten Grenzen miteinander spielen, raufen, kabbeln, kuscheln, küssen, erkunden. Fühlt man sich dabei wohl, kann die nächste Runde auch mit einer Grenze weniger oder einer anderen Grenze eingeläutet werden. Das wird auch Menschen ohne Ängste überraschend schöne Erfahrungen bieten. Ich würde auch hierfür einen Gong-Timer nutzen und schlage zunächst acht Minuten für eine Session vor.

[2] Beim play fighting interagiert man spielerisch, körperlich, achtsam und non-verbal. Dies kann sich als langsam steigerndes „Kämpfen“ ausdrücken oder auch eher ein animalisches Beschnuppern, Toben und Rumrollen sein.

Grenzen & Kommunikation        
Wenn du nicht in der Lage bist, mit jemandem über eine physische gemeinsame Erfahrung zu reden, dann mache diese physische Erfahrung nicht. 

Kommunikation ist absolut essenziell zur Äußerung von Wünschen, zur Achtung von Grenzen und zur Reflexion. Wie kann man erwarten, dass man eine Erfahrung verarbeiten kann, wenn sie vielleicht auch traumatisierend oder einfach nicht so war, wie man es sich gewünscht hätte, wenn man sich vorher schon nicht traut, zumindest in einfachster Form darüber zu reden?

Ich denke, der gesündeste Weg ist daher, zunächst seine kommunikativen Hürden zu überwinden, bevor man sich in physische Erfahrungen stürzt – vielleicht auch, indem man kleiner anfängt, mit leichteren Grenzen und diese für einen klar definierten Zeitraum aufrechterhält, zum Bespiel „heute“. Das Reden über die Grenze könnte dann die Voraussetzung dafür sein, sie aufzuheben oder zu verschieben.

Ein wertvolles Beispiel 
Mein Buch war fertig, schon dem Lektor übergeben, der Erfolg gefeiert und ich hatte das ganze Wochenende für die Begegnung mit einer Frau – „T.“, die ich seit einigen Wochen kennengelernt habe. Ich war es endlich mal langsam und geduldig angegangen und wollte auch meine eigenen Erkenntnisse aus dem Schreibprozess anwenden. Ich wollte unser körperliches Kennenlernen auskosten und die Prozesse dabei nicht überstürzen. Ich hatte mir drei Dinge überlegt, die ich mit ihr machen wollte, um danach einfach fortzufahren, wie es sich richtig anfühlt. Das erste war fünf Minuten Rücken an Rücken zu sitzen mit Gong-Timer. der am Anfang und Ende läutet. Danach wollte ich die 1. Übung aus diesem Kapitel mit ihr machen, sodass ich weiß, dass sie ihre Grenzen wahrnehmen und kommunizieren kann, ich ihre Körperreaktionen lerne, um von mir aus besser darauf eingehen zu können und um Vertrauen zu schaffen. Danach wollte ich sie zu einer 20-Minuten-„Spiel-Session“ einladen – ähnlich dem Play Fighting, was wir schon mehrfach gemacht hatten, nur langsamer und sanfter. Ich hatte Lust, uns wie Tiere langsam kennenzulernen, uns zu beschnuppern, ertasten und ohne Sprache zu begegnen. Doch so weit kam ich gar nicht.       

Als wir voreinander standen, meinte sie, dass die Übung für sie sehr schwer sei. Dann begannen Widerstände hochzukommen. Ich ging einen Schritt zurück, um ihr mehr Raum zu verschaffen. Sie drehte sich zwischendurch weg. Ihr fiel es richtig schwer, sich darauf einzulassen. Oder die Übung fiel ihr schwer, das wusste ich nicht. Sie erklärte, dass sie vielleicht abbrechen muss, und die Übung unter Umständen nicht das richtige sei und ich ihr Druck mache. Ich hatte mich bereits auf meine Knie gesetzt, um Druck rauszunehmen und sagte: „Ich sitze hier nur und bewege mich gar nicht auf dich zu, bis du mich dazu einlädst.“ Wie könnte ich ihr weniger Druck machen? Kurze Zeit später sagte sie, sie könne das gerade nicht und müsse den Raum verlassen. Nun war viel Anspannung im Raum. Sie fragte, ob ich vielleicht mit spazieren kommen würde, und ich erwiderte, dass ich mich zwanzig Minuten hinlegen würde. (Dass ich das irgendwann machen würde, war vorher schon besprochen.) Ich sagte, dass ich sie danach anrufen würde.

Durch meinen Kopf gingen viele Gedanken. War die Übung wohl doch nicht gut? Gebe ich im Buch teilweise sehr jungen Menschen Rat, der gar nicht funktioniert oder viel zu schwer umsetzbar ist? Sollte ich hinzufügen, dass alle Übungen grundsätzlich Vorschläge und Einladungen sind und man selbst schauen müsse, was für einen passt? Muss ich hervorheben, dass, wenn man dem Partner einen Vorschlag gemacht hat, man geduldig abwarten sollte, wie dieser reagiert und keinesfalls Druck ausüben würde? Dass, wenn dieser damit Schwierigkeiten hat, man ihm(/ihr) den Raum geben sollte, damit klarzukommen? Geduldig abwartend, bis dieser wieder auf einen zukommt? (Natürlich sind das grundsätzlich wertvolle Anmerkungen.)           
Ich war sehr verunsichert.

Nach dem Nap[3] rief ich sie dann an und fragte, ob ich zu ihr kommen könne. Sie sagte „Gern.“ Ich ging zu ihr in den Park. Wir liefen nebeneinander, und ich wollte zunächst zuhören. Ich hatte mir zwei Fragen vorbereitet: „Wovor hast du Angst?“ und „Was braucht es von mir, um das aufzulösen?“ Doch zunächst wollte ich wissen, was von ihr aus kommen würde. Sie meinte, sie wolle nur einen Satz sagen, erzählte dann aber recht viel. Nachdem wir uns auf eine Bank gesetzt hatten, kamen schwierige Emotionen hoch. Sie sagte, dass das mit anderen Männern leichter gewesen sei und dass bei Kennenlernprozessen keine Traumata hochkommen müssen, dass ich ihr Druck mache und ganz viel von ihr verlange, dass sie sich auf alles einlassen und sich „nackt“ machen solle. Ich hörte zu.            
[3] Beim „Nap“ oder „Power-Nap“ legt man sich tagsüber für 20 Minuten hin. Dann auch wirklich Rem-Schlaf zu bekommen, kann man lernen.

Ich stellte meine beiden Fragen und hörte erneut zu. Ich erwähnte, dass ich bei ihr Ängste spüre und dass sie mir die meiste Zeit unseres Kennenlernens mit einer körperlichen Anspannung gegenübertrete. Dabei ist mir körperliche Nähe und selbstverständliche beiläufige Berührung sehr wichtig. Für mich gehört auch das zum Kennenlernen dazu. Den genauen Verlauf bekomme ich nicht mehr zusammen, doch sie erzählte noch etwas von einer Freundin, bei der der Kennenlernprozess sehr lang war und dass bei ihrem ersten Freund sich dies auch über ein Jahr beiläufig hinzog. Nach erneutem Zuhören wollte ich nun auch etwas loswerden. Nicht viel. Ich wollte sie von nichts überzeugen. Ich wollte nur klarstellen, dass grundsätzlich alle meine Vorschläge Einladungen sind, die sie gerne ablehnen darf. Ich habe meine Meinung zu Kennenlernprozessen geteilt – die sich von den ihren etwas unterschied – und schloss, dass unsere Situation mit den genannten nicht vergleichbar sei und warum.                 

Dann spazierten wir weiter. Im naheliegenen Wald begann es, dass sie auf wunderschöne, natürliche Art Körperkontakt initiierte. Auf einmal fühlte es sich an, wie mit einer guten Freundin unterwegs zu sein. Wir haben dann mehrere Dinge gemeinsam gemacht und erlebt. Abends wurden wir körperlich intimer. Das steigerte sich ganz langsam bis hin zu penetrativem Sex. Später lag ich in ihrem Schoß, und wir redeten. Dann sagte sie: „War wahrscheinlich doch ganz gut, dass du die Übung mit mir gemacht hast.“  

Die Übung hatte ihren Zweck erfüllt: Sie hat Vertrauen geschaffen. Durch den Konflikt durfte viel Anspannung rauskommen und gelöst werden. Es wurden bei ihr Ängste getriggert, die so adressiert werden konnten. Auch sie hatte Grenzüberschreitungen erfahren und die Erfahrung gemacht, dass sie in bestimmten Situationen ihre Grenzen einfach nicht spüren und kommunizieren konnte. Dadurch war sie auch mir gegenüber verklemmt und hatte ihre Schutzschilde hochgefahren. Besonders wertvoll für sie war, wie ich mit ihrer Reaktion umgegangen bin. Ich habe ihr keinen Druck gemacht, bin ihr nicht hinterhergerannt, hatte ihr Raum gegeben, war höflich, respektvoll und geduldig. Ich habe nicht versucht, sie zu überzeugen, aber durchaus in einem Moment der Ruhe ein paar wenige Dinge gesagt, die mir wichtig waren klarzustellen. Mein ganzer Umgang mit der Situation hat bei ihr sehr viel Vertrauen geschaffen und ihr den Mut sowie die Sicherheit gegeben, sich mir zu öffnen.

Was wir daraus lernen können  
Vielleicht wird die Übung nicht so ablaufen, wie du denkst. In einer früheren Beziehung, nachdem wir bereits mehrere Monate gedatet hatten, hatten wir die Übung ebenfalls gemacht und sie zwischendrin abgebrochen. Wir hatten dann einfach eine Weile gekuschelt, weil so viel bei ihr hochkam.  
Auch wenn es nicht nach Plan läuft, hat die Übung einen immensen Wert, und ich schlage sie weiterhin zu Beginn jeder körperlichen Beziehung vor. Sei dir einfach bewusst, dass sie viel hochholen kann – aber nicht muss. Insbesondere betroffen sein könnten: Die Angst sich zu zeigen, die Angst vor Grenzüberschreitungen und die schmerzhaften Erfahrungen vergangener Grenzüberschreitungen. Sei geduldig und offen für das, was dadurch passiert. Dies ist eine Gelegenheit, diese Erfahrungen in einem sicheren Rahmen neu zu verarbeiten. Je nach getriggertem Traumata wird deine Partnerin (oder dein Partner) vielleicht auch aus dem Raum gehen, vielleicht den ganzen Tag nicht wiederkommen und sich auch nicht melden. Vielleicht meldet sich der Partner, den du gerade kennen lernen wolltest, auch gar nicht mehr. Dann waren die Traumata vielleicht noch viel größer und die Ressourcen, damit umzugehen, nicht vorhanden. Das wird nur in seltenen Fällen passieren, doch selbst, wenn so etwas passiert, sei gewiss: Es wird gut so sein! Denn wenn diese Grenzwahrnehmung übergangen wird, können vielleicht sexuelle Erlebnisse passieren, doch diese werden nur weiter traumatisieren. Und ich bin mir sicher, dass du das nicht willst, egal wie sehr du Sex möchtest.

Vielleicht kommt auch eine Vielzahl von Anschuldigungen auf. Das ist der Versuch, den Schmerz von innen auf dich zu schieben. Urteile nicht. Es ist nicht persönlich gemeint. Die Projektion ist der Versuch, einen Schuldigen für den Schmerz zu finden, um sich dagegen wehren zu können und ihn nicht fühlen zu müssen. Dem sollte man mit Mitgefühl, Verständnis, Respekt und Unaufdringlichkeit begegnen. Man wird emotionale Trigger los, indem man unverarbeiteten Schmerz aus der Vergangenheit verarbeitet. (Mehr dazu in Lektion 34) Du kannst dabei helfen, indem du einen sicheren Raum schaffst.

Vor dem gemeinsamen Wochenende mit T. konnte ich nur ahnen, dass hinter ihrer körperlichen Anspannung eine wundervoll körperliche Frau verborgen war, die nur noch nicht bereit war, sich zu zeigen. Bei unserem vierten Treffen hatte ich bereits gemerkt, dass es einfach war, mit ihr Zeit zu verbringen, Spaß zu haben und zu lachen. Doch körperlich schien sie mir sehr verklemmt und/oder verspannt. Als sie sich mir dann zeigte, wurde ich von der Schönheit ihrer Persönlichkeit umgehauen. Am nächsten Tag war sie ein so krass anderer Mensch und die Anspannungen beim vorherigen Umgang miteinander kaum noch vorstellbar.

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